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Kriechbaum, Martin

Martin Kriechbaum

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Historisches Seminar der LMU München
Geschichte der Frühen Neuzeit
ProMoHist
Geschwister-Scholl-Platz 1
80539 München


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ZUR PERSON

  • September 2017 Aufenthalt am Deutschen Historischen Institut Paris
  • seit November 2016 Stipendiat der Promotionsförderung der Stiftung der Deutschen Wirtschaft
  • seit November 2016 Promotionsprojekt an der LMU München in Neuerer und Neuester Geschichte bei Prof. Dr. Helmut Zedelmaier (LMU München und IZEA Halle) und Prof. Dr. Elisabeth Décultot (Humboldt-Professur "Neuzeitliche Schriftkultur und europäischer Wissenstransfer“, Martin-Luther Universität Halle Wittenberg)
  • 09/2011-06/2012: Studium der Geschichte an der Universität Via Domitia, Perpignan, Frankreich
  • 11/2010-10/2016: Stipendiat der Stiftung der Deutschen Wirtschaft
  • 10/2009-10/2016: Studium der Geschichte, französischen Romanistik, Pädagogik, Soziologie und Politik an der LMU München (Staatsexamen)

PROJEKT

Nicolas-Antoine Boulanger - ein Toter macht Schlagzeilen oder: Wie ein Ingenieur Geschichte schreibt

Nicolas-Antoine Boulanger (1722 - 1759) ist einer der interessantesten und doch am wenigsten beachteten Denker der europäischen Aufklärung. Erst neuerdings beginnt der vielseitig begabte Bauingenieur, Naturwissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller aufgrund wichtiger Quellenfunde das Interesse der historischen Forschung zu wecken. Das Dissertationsprojekt über den originellen und von seinen Zeitgenossen viel gelesenen Vordenker seiner Zeit, macht Leben und Werk des Franzosen erstmals in umfassender Weise der deutschsprachigen Forschung zugänglich. Es schließt eine Forschungslücke, die in der Literatur wiederholt als ungerechtfertigt angesehen wurde.

Boulanger lebte in einer Zeit besonderer geistiger und kultureller Umwälzungen. Sein Tod in Paris 30 Jahre vor Ausbruch der Französischen Revolution fällt in eine bekanntermaßen wichtige Phase der europäischen Aufklärung. Fundamentale Ideen der Moderne erhielten während der letzten Jahrzehnte des Ancien Régime erstmals eine breite öffentliche Wirkung. Unter den Autoren dieser Bewegung war Boulanger einer der radikalsten und innovativsten. Er war Duzfreund der geistigen Prominenz Frankreichs, wurde für seine Radikalität gleichermaßen verehrt wie gehasst und war innerhalb weniger Jahre weit über die Grenzen Frankreichs für die religions- und gesellschaftskritische Sprengkraft seiner Schriften bekannt. Auf dem Gebiet der heutigen Geologie entwickelte er in jungen Jahren innovative Thesen zur Naturgeschichte der Erde, die er in den viele hundert Seiten umfassenden Anecdotes de la Nature niederschrieb. Das Werk zirkulierte jedoch lediglich als Manuskript und musste bis zum Jahr 2006 auf seine gedruckte Herausgabe warten. Prominent wurde Boulanger durch seine postum veröffentlichten Hauptwerke Recherches sur le Despotisme oriental (1761) und L’Antiquité devoilée par ses usages (1766), beides Menschheits-, Kultur und Religionsgeschichten, die durch eine auffällige Nähe zu modernen Vorstellungen von Angstpsychologie, kollektivem Gedächtnis und Kulturgeschichte erstaunen. Konsequenter als andere schrieb sich Boulanger auf die Fahnen, seine Forschung auf empirischen Erkenntnissen zu basieren zu lassen. Er könnte als einer der ersten Vertreter eines naturwissenschaftlichen Atheismus oder Agnostizismus bezeichnet werden.

Trotz des ebenso zeitgenössischen wie überzeitlichen Interesses seiner Ansätze sowie der europaweiten Bekanntheit, die Boulanger im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert erlangte, fällt die Forschungsbilanz zu seinem Namen äußerst dürftig aus. Zuletzt erschien 1986 eine umfassende Untersuchung seines Werks und Lebens. In der deutschen Forschung liegt bisher gar keine Monographie vor, obwohl Boulanger nachweißlich beträchtlichen Einfluss auf deutsche Aufklärer hatte. Erst seit rund 20 Jahren hat die Aufmerksamkeit für Boulanger in einzelnen Aufsätzen der französischen Forschung sowie durch die teilweise Edition seines Werks zugenommen. Zentral hierfür war die erhebliche Erweiterung des biographischen Kenntnisstandes durch den erstmaligen Fund einiger persönlicher Briefe sowie die Neuzuschreibung einiger Schriften zur Elektrizität an Boulanger.

Diese teils noch auszuwertenden Quellen sowie die allgemein lückenhafte Aufarbeitung Boulangers speziell in der deutschen Forschung bilden den Ausgangspunkt der Dissertation. Eine neuerliche und teils erstmalige Auseinandersetzung mit Leben, Werk, Kontext und Wirkung des Aufklärers ist nicht nur in Bezug auf die Entstehung wichtiger Bestandteile des modernen Denkens äußerst interessant, sondern auch aus historiographischer Sicht absolut relevant. Boulanger wird im Rahmen des Dissertationsprojekts erstmals in der deutschen Forschung eine umfassende Untersuchung gewidmet. Dabei werden zahlreiche vornehmlich über die französische Forschung verstreute Einzelerkenntnisse in einer Gesamtansicht zugänglich gemacht. Auf der Grundlage der bisherigen Forschung sowie der neuerlichen Aufarbeitung sämtlicher Schriften erhält Nicolas-Antoine Boulanger so eine unlängst in der Forschung angeregte Neubewertung und Würdigung. Schließlich wird, anders als in bisherigen Untersuchungen, nicht nur der zeitgenössische Kontext und die ideengeschichtliche Genese des Werks, sondern auch der mittel- und langfristige Einfluss Boulangers in den Blick genommen.

FINANZIERUNG

Stiftung der Deutschen Wirtschaft, Berlin